.Das lange Wochenende 1-2-3-4-5

Würde ich hier ALLES erzählen wollen, müßte ich über soviel Zeit verfügen, die ich leider nicht habe. Deshalb nur einige "Eckpunkte", die mir jetzt spontan einfallen. So weiß ich z.B. noch, daß an diesem besagten 30. September 1967 die Straßenbahn zum letzten Mal über den Tauentzien fuhr. Das Europa Center stand gerade mal 2 Jahre und von diesem gab es damals noch eine Fußgängerbrücke über die Tauentzienstraße rüber zur Marburger Straße. Auf dem unmittelbar davor liegenden Breitscheidplatz traf sich die Hippy-/Gammlerscene an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und überall liefen diese Orange People mit Kahlkopf herum. "Hari Krischna". Wer jetzt - als Bundeswehrflüchtling oder nicht - in Berlin war, erlebte den Tanz auf dem Vulkan, der

ein Jahr später als Studentenbewegung in Form von Demonstrationen auf Berlins Straßen zum Ausbruch kommen sollte. Die Insel West-Berlin mutierte zum Sprachrohr und die Stadt füllte sich mit Gleichgesinnten, Sympathisanten... Man grüßte den "Rest der Welt" und auch in dieser Zeit entstand der Spruch "Egal wo du hinschaust - überall ist Osten". Wer mit dem Auto fuhr, machte seine ganz persönlichen Erfahrungen mit den DDR-Grenzern. "Worüber fahren Sie?" Über Helmstedt. "Fahren Sie rechts ran und überlegen worüber Sie fahren!" - Das Zauberwort hieß Marienborn und nicht Helmstedt. Mit diesen und so manch anderen schwachsinnigen Provokationen stempelten sich die Handlanger der Deutschen Desolaten Republick selbst zu schon beinahe "liebenswerten" Witzfiguren. Ohne diesen Bewachungsstaat über unsere "Brüder und Schwestern" hinter dem "antifaschistischen Schutzwall" in der "SBZ" wären die Berliner "Stachelschweine" mit Wolfgang Gruner an der Spitze wohl nicht die Speerspitze des Deutschen Polit-Cabarets gewesen. "SBZ" entsprach zwar der Realität, hören tatens die Brüder und Schwestern aber nicht so gern. (Sowietisch besetzte Zone)

Auch wir waren "68er", wenn auch mit eher unpolitischem Hintergrund. Während die "Kommune 1" mit Fritz Teufel und Rainer Langhans ihre "Außerparlamentarische Oposition" (APO) in Berlin Schule machen ließ, entstanden mit einem Schlag überall kleine und größere "WGs". Einer mit allen und alle mit einem.

So auch wir. Wir waren eine bunte Clique mit meistens 5 bis 7 Leuten und wohnten ständig zusammen. Aber wie war das mit dem Wochenende? Ich habe es einfach auf unbestimmte Zeit verlängert. Berlin war so unglaublich vielseitig, daß ich garnicht daran denken wollte, wie es denn in Paderborn hätte weiter gehen können. Hier zogen wir alle am gemeinsamen Strang. Pausenlos kannten wir neue Leute und machten Tagelöhnerarbeit. Wir gingen zum "Sklavenhändler" oder zum Fruchthof Beusselstraße in Moabit (auch "MAO-bit" genannt). Für 10 Mark am Tag schleppten wir Steine auf Baustellen, stampften mit Gummistiefeln das Sauerkraut bei Essig-Kühne oder landeten bei Plastik-Hoffmann in Lankwitz und stanzten Eiskratzer fürs Auto. Wobei ich übrigens von letzterem ein lebenslanges Andenken mitnehmen sollte. Ich geriet mit der Hand zwischen die Pressform und hätte beinahe einen Finger verloren. Ein halbes Jahr lang lief ich mit verbundener Hand herum und lebte von Krankengeld. Berlin tat also auch weh - aber dann auch wieder gut, denn ich verknallte mich in eine der Arzthelferinnen des Vertrauensarztes, die ich dann für einige Zeit als Freundin hatte. Durch sie tat das alles gar nicht mehr so weh. Ach ja... die blonde Andrea... Sie war wirklich eine hübsche Perle. Und als wir uns dann irgendwann trennten, bekam ich als Abschiedsgeschenk von ihr einen Kaktus. Das tat dann doch wieder weh...

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