.Das lange Wochenende 1-2-3-4-5

Ich habe damals kein Tagebuch geführt. Es sind alles Erinnerungen, die sich eingebrannt haben und chronologisch hoffentlich auch einigermaßen zutreffend sind, sollte dies jemand lesen, der damals im selben Boot saß. Ja, richtig... Boot... da fallen mir "The Boots" ein ("Glooooria!"). Die waren ja neben den "Poor Boy-Lords" auch aktuell. Die Boots spielten im Seeschloß Hermsdorf und Drafi Deutscher tobte irgendwo in der Hasenheide in Kreuzberg herum und sorgte so ganz nebenbei mal eben für diesen "Ich zeig mich mal am Fenster-Skandal" Marmor, Stein und Eisen wurde zur Nationalhymne. Das Highligt gab es dann aber in Essen. 1969 fand das große "Pop & Blues Festival"" statt. Pink Floyd, Deep Purple usw... Ganz Berlin war auf den Beinen nach Essen. Essen Grugahalle. Du hast nur Berliner gesehen... unglaublich. Ein gewisser "Fussel-Dieter" wollte nicht allein mit dem Zug dort hin und spendierte mir

die Fahrkarte. Drei Tage und drei Nächte dauerte das Spektakel. Allein diese Tour wäre ein Buch wert. Aber das ist eine andere Baustelle...

Wie lange wir in der Jonasstraße blieben, weiß ich nicht mehr. Ich sehe noch die Räume und manche Mädels, die zu uns kamen. Eins war auch klar: in dieser ganzen Zeit hatte ich niemals das Bedürfnis, mal mit Stft und Farbe etwas zu schaffen. Obwohl dies eigentlich zu meinen Leidenschaften zählte. Ich weiß nicht... die Ruhe fehlte, es war ständig irgendwas los. Alles was gemacht wurde, wurde zusammen gemacht. Wir waren unruhig und schlugen uns durch. Wir hatten weder einen Fernseher, ich glaube, noch nichtmal ein Radio. Ein Auto erst recht nicht. Wir hatten ja uns, fuhren U- und S-Bahn und für eine gewisse Zeit war stets eine Bleibe da. Es war einfach so. Direkt am Bahnhof Zoo war damals noch Aschinger. Erbsensuppe 80 Pfennig und ne Schrippe gabs glaube ich dann noch so dazu. Aber weshalb wir dann später aus der Jonasstraße wieder raus mußten, weiß ich nicht mehr - Filmriß.

Irgendwie hatte Conny einen Riecher, wenn es um Unterkünfte für uns ging. Und das kam dann auch immer ganz plötzlich. Wir nisteten uns in der Yorkstraße in Kreuzberg ein (damals Berlin 61). Dort gab es das "Mr Go". Das war eine kleine Szenekneipe, in der zur Musik von Pink Floyd mittels etwas farbigem Fett zwischen zwei Glasscheiben in einem Diaprojektor fließende "Objekte" an eine Wand gestrahlt wurden. Das sah man damals überall. Über der Kneipe war eine ganze Wohnung leer, die wir mit jeweils einem Zimmer mieten konnten. Der Besitzer hieß Peter Blaar und war schon ein seltsamer Vogel. Ihm gehörte auch das "Mr. Go". Es war "streng verboten" eine Freundin mit aufs Zimmer zu nehmen. Würde man erwischt, wäre die sofortige Kündigung fällig. Für ihn selbst galt diese Regel allerdings nicht. Hier schoben sich die Freaks kleine Tütchen zu, es war bekannt, hier bekommst du, was du "brauchst". Vor meinem Fenster rauschte im 10-Minuten-Takt die S-Bahn vorbei. Später habe ich das garnicht mehr gehört. Eklig war es bloß, wenn die Zugbremsen am S-Bahnhof Yorkstraße quietschten. Der lag ja gleich in der Nähe. Aber wir waren ja meistens die ganze Zeit unterwegs.

Eines schönen Tages - ich ahnte nichts - kreuzte plötzlich meine Mutter auf. Du lieber Himmel!!! Was macht die hier?? Nun kam sie ausgerechnet und ebenso nichtsahnend "einfach mal so" zum "Drogenumschlagplatz" und wollte ihren "lieben Dietrich" besuchen. Na, das war ja eine Schööööne Überraschung!! Hier war nun wirklich alles, aber nicht das, was sie sich vorgestellt hatte. Ganz sicher nicht. In Wilmersdorf lebte ja noch ihre damalige Schulfreundin Senta M. und durch meine gelegentlichen Briefe, hatte sie die Adresse. Aber daß sie hiiier her kommt... Nun ja, sie hats überlebt.

Das Theater "Die Schaubühne" war damals noch am Schöneberger Ufer. Und vorn im Foyer spielte eines Tages Edgar Froese mit seinen "Tangerine Dream". (Gibts übrigens heute noch) Psychodelisch-rythmische Keyboardklänge. Für mich damals ein Pendant zu Pink Floyd, die ja Hochkonjungtur hatten. Überhaupt verlagerten sich nach und nach die Örtlichkeiten, an denen wir uns aufhielten. Überall gabs neue Diskotheken und andere kleinere Läden. Im "Gloria-Palast" lief "Woodstock" und am Kudamm machte Rolf Eden mit seiner Dikothek "Big Eden" von sich reden. "Lord Knud" hatte im RIAS seine "Schlager der Woche" und ich war in Berlin! Das war gut so!

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