.Das lange Wochenende 1-2-3-4-5

Und dann passierte das, was eigentlich garnicht zu vermeiden war. Ich hatte eine Freundin, die hieß Brigitte (nicht die rechts im Bild). Wir wollten irgendwo hin und sie holte mich ab. Wir kamen die Treppe herunter und wer kam uns entgegen..? Klar... Peter Blaar! Du weißt, was das bedeutet, meinte er. Du kannst das Zimmer räumen. Ich hatte dir gesagt, daß ich Frauenbesuche bei Euch nicht dulde. Brigitte fragte, ist der schwul? Nein, sagte ich, nur ein kleines Arschloch. Und wieder spielte der Zufall mit - Conny überraschte mit der Meldung, packt eure Klotten, wir haben ein Haus. Wie hatte er denn das nun wieder hingekriegt?? Noch am selben Tag liefen wir allesamt durch das Haus in der Kreuzberger Sorauer Straße 13 und suchten uns eine Wohnung aus. Meine sollte im Hinterhaus ganz oben unter dem Dach liegen. Zimmer, Küche, kleine Kammer und Klo auf halber Treppe. Miete 80 Mark. Na, das war doch was. Es war immer noch 1969 und diese Zeit in dieser Gegend, in dieser Straße und in diesem Haus hat uns wohl am meisten geprägt. Hier lebte ich bis 1974.

Wir waren im ganzen Haus verteilt. Im Vorderhaus war Conny, ebenfalls im Hinterhaus hatte Manne sein Reich und in der Hinterhaus-Paterre rechts machte

Tommy sich breit. Der machte lauter Sachen aus Leder und verkaufte sie am Kudamm oder sonstwo. U-Bahnhof Schlesisches Tor, Endstation. Danach kam die Mauer bzw. die zum Osten gehörende Oberbaum-Brücke. Das war nun unser Kietz. Berlin 36. Arbeiter-Bezirk. Endlich in eigenen vier Wänden. Man konnte tun und lassen, was man wollte. Ich verlängerte mein Wochenende auf eine weitere unbestimmte Zeit und fühlte mich aber - das muß ich zugeben - immer noch als Besucher dieser Stadt. Ich hatte zwar viel erlebt, mehr als in meinen ganzen Paderborn-Jahren, aber als "der Berliner" konnte ich mich ja (noch) nicht fühlen. Wie auch? Berlin hat ein eigenes "Nationalbewußtsein". Das muß ein Provinzler erst erkennen und sich er-leben. Im wahrsten Sinne des Wortes. Allein unsere Sorauer Straßen-Zeit könnte einen dicken Band füllen. Über die Mädels, die vielen Leute, die uns aus Westdeutschland aufsuchten, unsere "Anti-Drogen-Kampagne", Polizeiaufgebote, über den Hausmeister, Kohlenklau und nächtliche Bongo-Spiele im Fußgängertunnel... Ich hatte einen ollen Schwarz-Weiß-Fernseher mit runden Ecken. Zur großen Erheiterung sah ich mir gern den "Schwarzen Kanal" mit Eduard von Schni... an. Schni? Ja. Es kursierte das "wahre Gerücht", daß die Ostler den Namen Schnitzler nicht mehr zuende hörten. Bei Schni drehten sie den Fernseher aus. Überhaupt hatte das Ostfernsehen viel interessantes zu bieten. Z.B. den Verkehrsunterricht. Ein Trabbi bleibt auf der Strecke liegen. Wie helfe ich mir nun? Höchst interessant und amysant. Die Ost-TV-Nachrichtensprecherin Angelika Unterlauf wurde von einem RIAS-Redakteur in einem eigens für sie komponierten Lied hofiert. Ein kleiner Stadt-Hit: "Angelika, Angelika vom Fernsehn in der DDR".

Endlich besann ich mich wieder auf das Malen und Zeichnen. Tapeten-Rückseiten und Filzstifte wie auch Bleistifte waren die Materialien. Einige der Bilder habe ich noch. Conny hatte inzwischen mit seinem Bruder, der nun auch in diesem Haus lebte eine kleine Fotoagentur aufgemacht und machte mit einem selbst geschossenem Poster-Foto von Jimmy Hendrix ein wohl ganz gutes Geschäft. Die beiden gingen dann aber Anfang der 70er nach Düsseldorf, um dort in das Musik-Management einzusteigen.

Als ich zur gleichen Zeit Marion kennen lernte, (Foto oben) verabschiedete ich mich nach und nach aus Kreuzberg. Wir wohnten jetzt beide in Tempelhof. Es wurde ruhiger. Ich fing intensiev an zu Malen und kehrte (vorrübergehend) in meinen erlernten Beruf als Buchdrucker zurück. Immerhin 12 Jahre.

Ich wollte ja nur über die Anfänge - wenn auch in grober Form, berichten - 40 Jahre Berlin. Ich habe es nie bereut, nach hier gekommen zu sein und muß ja eigentlich dem guten Conny dafür dankbar sein. Die Stadt hat soviele Überraschungen zu bieten. Wer nie hier war, wirds wohl kaum verstehen. Ich brauche dafür nur EIN Wochenende. Die Länge bestimme ich !

Dietrich von Plettenberg

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