.Das lange Wochenende 1-2-3-4-5

Nochmal zurück zur Gustav-Müller-Straße. Sie konnte natürlich nicht die "Endlösung" bleiben. Zumal es in einer dieser Nächte sogar Feueralarm gab. Man stelle sich vor, daß es ja nie bei sieben Personen blieb. Manchmal waren noch zwei, drei Mädels bei uns und so wurde getrunken und gekifft - alles in einem relativ kleinen Raum. Jedenfalls hätte uns Patric beinahe abgefackelt, als er wohl mit einem Joint eingepennt sein muß. In kurzer Zeit gab es eine enorme Rauchentwicklung, das kaputte Sofa kokelte vor sich hin und langsam schlugen Flammen um sich. Alles wachte laut hustend auf, man riß das Fenster auf und fuchtelte wild durcheinander. Und das bedeutete für uns auch gleichzeitig das Aus in der Gustav-Müller-Straße.

Ich weiß nicht mehr genau, was danach passierte. In der Zwischenzeit tauchten immer mehr Leute aus allmöglichen westdeutschen Gebieten auf. Das "Closed Eye" wirkte wie ein Magnet und zog alle an sich. Irgendwann spielte dort auch eine Band namens "Amon Duel". Die Sängerin war Uschi Obermeier, die Freundin von Rainer Langhans. Aber was die für Musik machten, kann ich heute nicht mehr sagen. Sicher ist aber, daß Conny in Moabit eine Wohnung für uns in der Jonasstraße aufgegabelt hatte. Zwei große Zimmer mit Küche und Bad. Gleich in der Nähe war die Moabiter Markthalle und alles in unmittelbarer Nähe der langen Turmstraße. Ach ja, hier gibt es auch die "kleinste Allee der Welt". Sie ist nur 30 Meter lang und heißt Thusneldaallee. Und Paderborn? Nein, wieso? Ich hatte doch noch immer das lange Wochenende...

War gegen Mitternacht Feierabend im "Closed Eye" in der Bundesalle in Wilmersdorf, zog es uns in die Augsburger Straße nach Schöneberg. Um diese Zeit gings da erst richtig los. Hier war das "Candy". Ein Doppelladen für jeweils unterschiedliches Publikum. Linker Eingang für Normalos, Gammler und Rotlichtsüchtige. Rechter Eingang, eine Nobel-Bar für hochhackige Damen und Herren mit dicken Brieftaschen. Durch welche Tür WIR gingen, muß ich nicht beschreiben. Nach dem Eingang gabs den Tresenraum, rechts ein kleiner Zusatzraum mit ein paar Bänken und Tischchen und am Ende ein kleines offenes Kabuff für die Diskothek. Conny schaffte es, hier an manchen Abenden Platten aufzulegen. Diese Kneipe hatte ihre Eigenheit: hier verkehrten (außer uns und Sinnesgenossen) jede Menge Schwule, Lesben, Nutten und Zuhälter. Wie gesagt, man war ja in der Augsburger Straße. In dieser Gegend gab es damals eine ganze Menge solcher Läden. Fugger- und Motzstraße - nicht zu vergessen die ganze Nollendorfplatz-Gegend und natürlich der Straßenstrich auf der Potsdamer Straße - war ja Rotlichthochburg. Ganz viel anders ist das heute auch nicht, bis auf einige Läden, die es natürlich nicht mehr gibt. Auch die Damen-Lauf-Maile hat sich verlagert. Aber dafür gibts heute andere Läden im selben Kietz. Hielt sich jemand im "Candy" zu lange mit einer Cola auf, mußte er damit rechnen, daß er nur nach Bestellung eines neuen Getränks bleiben durfte. Oder - etwa einschlafen auf Stuhl oder Bank gabs auch nicht. Wehe, wenn der Kellner kam. Der hatte einen Elektrostab und hielt den mal kurz an den Arm oder das Bein. Das funktionierte gut, flugs wurde der Delinquent hellwach!

Folgende Scene spielte sich ab: Ein Zuhälter namens Achim betrat den Laden. Er bestellt was zu trinken. Schaut zu Conny ins Kabuff und ruft rüber "spiel mal 'Moon Light' von Ted Herold!". Conny ganz erschrocken: Das habe ich nicht. Daraufhin fliegt das Glas von Achim zu Conny, der sich gerade noch ducken kann. Klatsch!! Es zerdeppert an dem Bretterverschlag, der vor der Diskothek quer angenagelt ist. Dann schaut mich dieser Achim an und meint, "Kleener, komm mal her!". (Ach du Scheiße) "Hier haste meine Schlüssel, jeh mal zur Fuggerstraße 10, zweeter Stock rechts, det is meine Wohnung. Hol die Platte aus dem Plattenschrank. Und komm nicht ohne wieder!" kam noch hinterher. Mann oh Mann. Aber ich machte das und kam in eine völlig nüchterne Wohnung. Ich durchsuchte den ganzen Wust Singleplatten und fand die Scheibe dann auch. Ich mußte immer an Conny denken. Der lebt da ja ganz schön gefährlich. Zurück im "Candy" übergab ich Schlüssel und Platte diesem Achim. Und bei "Mu hu hun leit" bekam ich ein großes Bier von dem Herrn Zuhälter. Prost!

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