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Wochen später trampte ich los. Irgendwann in der Nacht kam ich am West-Berliner
Funkturm (Busbahnhof) an und kannte nichts. Gar nichts. Es war der
30. September, ein Samstag. Als ich jemanden fragte, wo denn hier die
Diskothek "Closed Eye" sei, schickte der mich mit einem "weeßick
nich" in den Citybereich. Ja, aber wo ist denn der Citybereich?
"Da jehste imma jrade aus und dann da lang, biste uffn Kudamm
kommst. Dann mußte ma weiter fraren". Auf meinem Zettel
stand Bundesallee. Stundenlang lief ich mit meiner Durchfragerei in
diese Richtung und landete auf einer Parkbank. Ich war hundemüde.
Nach der Morgendämmerung besorgte ich mir ein paar Brötchen
- ach nein, "Schrippen" - meine paar Kröten reichten
dafür gerade noch. Ziellos und immer wieder desorientiert lief
ich durch die Straßen und schlug die Zeit irgendwie bis zum Nachmittag
tot. Es muß gegen kurz vor 4 Uhr nachmittags gewesen sein, als
ich schließlich vor dem Eingang der Closed Eye-Diskothek stand.
Ich wartete einfach ab, was passiert. Vielleicht kommt ja Conny bald.
Und dann folgte die erste Begegnung mit einem Typen, der die Haare
fast bis zum Arsch hatte. Der steuerte mit seiner ausgebeulten Lederjacke
direkt auf den Eingang zu. "Wer bist'n du? Warteste uff jemand?"
Ja. Kennst du einen Conny.. son blonder? "Meinste diesen Albinotypen,
eenen aus Westdeutschland?" Ja, das müßte er sein.
"Der kommt jleich, warte mal, der kommt jleich". Und damit
verschwand der langhaarige nach innen. Später wußte ich,
das war "Knolle". Es dauerte noch 10 Minuten, dann kam tatsächlich
Conny. "Hey Diddi, du hier??" Ich war gerettet. Er zahlte
die 3 Mark Eintritt für mich, spendierte auch ein Bier und schon
war ich mitten drin in der Scene. Um Conny herum lauter wilde Typen
mit wallenden Haaren. Und die Mädels... eine Augenweide nach der
anderen. Von der Diskothek hämmerten Jimmy Hendrix, Cream und
die Stones auf die flackernde Tanzfläche. Das war ja hier alles
ganz anders als in dem vergleichsweise trockenen Paderborn. Größer,
wilder, frech-herzlicher und lauter. Und der dicke Waldmüller
war der Chef von dem Laden. Ein Bayer. |
Die
Nacht verbrachten wir in der Gustav-Müller-Straße in Schöneberg.
Sieben Leute waren wir. Alle in einem Zimmer auf Matratzen und einem
kaputten Sofa. Einer aus Minden, der andere aus Münster, zwei
aus Lemgo, noch einer aus Bremerhaven, ein Franzose und ich aus Paderborn.
Da war nämlich Timmy, der uns diese Bleibe verschaffte. Gitarre
spielen konnte er auch und wohnte in den restlichen drei oder vier
anderen Zimmern. Und so ging das noch mehrere Nächte. Tagsüber
glänzten wir durch kreatives Nichtstun und abends war das "Closed
Eye" angesagt. Ganz wichtig war, neue Mädels aufzureißen.
Und die kamen dann mit in die Gustav-Müller-Straße. Ich
merkte garnicht, daß es schon mitten in der Woche war. Dabei
wollte ich doch nur Conny besuchen... an dem Wochenende... |